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29.09.2011 Forschungsprojekt zeigt: Doping auch in Westdeutschland

Am Montag und Dienstag, den 26. und 27. September 2011, wurden im Bundeshaus in Berlin die zweiten Zwischenergebnisse des Forschungsprojekts „Doping in Deutschland von 1950 bis heute aus historisch-soziologischer Sicht im Kontext ethischer Legitimation“ vorgestellt.

Die Wissenschaftler der Berliner Humboldt-Universität (HU) und der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) kamen dabei zu der übereinstimmenden Einschätzung, dass es in dem betrachteten Zeitraum in der Bundesrepublik Deutschland zumindest „staatlich geduldetes“ Doping gab.

Nachdem die ersten Zwischenergebnisse, die am 25. Oktober 2010 in Leipzig vorgestellt worden waren, sich mit der Phase des Dopings in der Nachkriegszeit bis in die 1960er Jahre in der jungen Bundesrepublik befassten, lag der Schwerpunkt der zweiten Forschungsphase auf den 1970er und 1980er Jahren.

Das vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) initiierte und vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp) geförderte sowie betreute Forschungsprojekt soll zu einer komplexen und unbefangenen Geschichtsschreibung beitragen, die auch mögliche dunkle Seiten nicht aussparen soll. „Das gemeinsame Auftreten des DOSB und des BISp zeigt, dass beide Institutionen geschlossen das gemeinsame Ziel verfolgen, dieses Forschungsprojekt erfolgreich durchzuführen und die Vergangenheit aufzuarbeiten“, sagte der stellvertretende Direktor des BISp, Dr. Karl Quade, in seinem Grußwort bei der Pressekonferenz am Montag, die einem wissenschaftlichen Symposium am Dienstag vorausging.

Prof. Dr. Michael Krüger DiD_09_2001_Krueger
Prof. Dr. Michael Krüger Quelle: Klaus Klein, BISp

Auch wenn die Ergebnisse bisher nur vorläufigen Charakter haben, stellte Professor Michael Krüger als Projektleiter der WWU Münster heraus, dass sich das Bewusstsein zum Thema Doping gerade in der Zeit vor den Olympischen Spielen 1972 in München grundlegend verändert habe. Die Konkurrenz zur DDR sei ein wesentlicher Grund für Doping in dieser Zeit gewesen, sagte Krüger und ergänzte, dass es zu einer Abkehr von der autonomen und ehrenamtlichen Führung des Sports gekommen sei. Stattdessen habe sich der Staat als maßgeblicher Akteur in den Spitzensport eingebracht.

Missbrauch vor allem von Anabolika-Substanzen

Als Gegenleistung für eine hohe finanzielle Förderung habe man von den Sportlern erwartet, in der Weltspitze zu bestehen. Und damit sei zugleich auch das Doping im westdeutschen Sport angekommen. Nachdem es in den 1950er und 1960er Jahren bereits zum Einsatz von anabolen Steroiden kam, sei die Nutzung der Substanzen vor allem in den 1970er Jahren extrem gestiegen. Ärzte und Funktionäre waren aktiv und passiv an der Verbreitung beteiligt, stellte Krüger fest, und stützte seine Forschungsergebnisse auf Aussagen von Zeitzeugen und auf Archivdokumente. Ein weiteres Problem sei gewesen, dass nur bei Wettkämpfen auf Anabolika-Missbrauch kontrolliert wurde und die Nutzung im Training weitestgehend unbemerkt blieb.

Der internationale sportliche Druck sowie der Wille, mit der DDR Schritt zu halten, sei der Grund gewesen, nicht aggressiv gegen Doping-Missbrauch vorzugehen. Krüger hielt aber auch fest, dass beispielsweise die erdrückende Mehrzahl der Sportmediziner strikt gegen Doping war und vor den Risiken warnte. „Man wird kein vergleichbares Dokument wie in der DDR finden, dass zum Doping gezwungen wurde. So etwas gibt es einfach nicht“, erläuterte Krüger: „Von diesen Zuständen sind wir weit entfernt.“

Weiterhin stellten die Forschergruppen fest, dass Dopingkontrollen von den Verbänden in den 1970er Jahren unzureichend umgesetzt worden seien und es auch deswegen gehäuft zu Schwierigkeiten kam. Es gehe nicht darum, mit dem Finger auf die Schuldigen von damals zu zeigen, sondern das große Ganze zu beleuchten, sagte Krüger. Trotzdem führten die Untersuchungen zu dem Schluss, dass der Staat von den Vorgängen im Spitzensport gewusst haben muss.

Gesundheitliche Gefahren oft heruntergespielt

Das BISp spielte den Berliner Wissenschaftlern zufolge in diesem Gefüge eine zentrale Rolle. So gab es unter anderem Forschungen zu Anabolika und Testosteron, hieß es in Berlin. „Man kann durchaus von einer staatlich subventionierten Anabolika-Forschung sprechen. Als Begründung wurde oft herangezogen, dass man mit der DDR sportlich auf Augenhöhe sein wollte“, interpretierte der als Projektleiter an der HU Berlin forschende Professor Giselher Spitzer die ihm vorliegenden Quellen.

Prof. Dr. Giselher Spitzer DiD_09_2001_Spitzer
Prof. Dr. Giselher Spitzer Quelle: Klaus Klein, BISp

Erschreckend sei dabei in erster Linie, dass die gesundheitlichen Gefahren des Missbrauchs von den Verantwortlichen immer heruntergespielt und verharmlost worden seien. Stattdessen seien die Sportler mit Sprüchen wie „Ohne Anabolika hast du keine Chance!“ zu illegalen Mitteln gedrängt worden. Trotzdem lehnten es die Forscher ab, von flächendeckendem Doping zu sprechen. „Dafür hat es einfach zu viele Lücken gegeben, aber die Dopingraten in Sportarten wie dem Gewichtheben lagen teilweise bei bis zu 90 Prozent“, ergänzte Spitzer.

Lehren der Vergangenheit schon heute berücksichtigt

Der stellvertretende Direktor des BISp, Dr. Quade, kündigte an, dass es selbstverständlich sei, „dass sich das Bundesinstitut nunmehr kritisch mit den Ergebnissen der historischen Aufarbeitung auseinanderzusetzen hat“ und machte erneut darauf aufmerksam, dass die Aktenbestände des BISp den Forschungsnehmern jederzeit zur Verfügung stehen. Er verwies allerdings auch darauf, dass das BISp bereits aus der Vergangenheit Lehren gezogen hat und sein gesamtes Förderverfahren „unter Berücksichtigung verschiedener Evaluationen neu gestaltet“ hat. „Dabei muss eine lange Entwicklung berücksichtigt werden, von der früheren reinen mündlichen Beratung der Projekte, über die Einführung schriftlicher Gutachten und die Etablierung von speziellen Projektbeiräten. Das heutige Verfahren der Forschungsförderung mit seiner strengen Trennung von Begutachtung, Beratung und Entscheidung ist transparent und unabhängig, dafür bürgt der Erlass und die im Frühjahr verabschiedete Geschäftsordnung des Wissenschaftlichen Beirates des BISp.“

Noch in diesem Jahr sollen die Zwischenberichte veröffentlicht werden. Informationen zum Ort und Zeitpunkt der Präsentation des dritten und letzten Teils der Studie werden rechtzeitig bekanntgegeben. (Quelle: BISp/DOSB)

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